Ortschaft in Ostfriesland, seit 1237
DAS GEWERBE
Wo Menschen zusammenleben, werden Waren und Dienstleistungen aller Art angeboten und in Anspruch genommen.
Das galt in den kleinen, abgelegenen Dörfern früher mehr als heute, weil die Menschen damals nicht mal eben schnell
mit dem Auto zur Stadt fahren konnten, um sich das Notwendige dort zu besorgen. So ist es nicht verwunderlich, daß
es auch in Eggelingen eine stattliche Anzahl von Gewerbebetrieben gab.
Wir beginnen diesen Abschnitt mit dem Hinweis auf einen Aufsatz von Wilfried Janßen, Asel, über die Roßmühle zu
Eggelingen. Windmühlen, meint der Autor, hat es in Eggelingen wahrscheinlich nie gegeben. Die Bevölkerung
brachte ihr Getreide zu den herrschaftlichen Mühlen in Wittmund. Auch Hinweise auf Wassermühlen fehlen. Daß
Eggelingen aber zumindest als Farbtupfer in der ostfriesischen Mühlenlandschaft erscheint, gelang mit dem
Auffinden der Akte im Staatsarchiv Aurich, die ein Gesuch der Bäckerin Witwe Koch zu Eggelingen wegen der
Anlegung einer Roßmühle enthält, um Korn zum Haushaltsbedarf und zum Bedarf der Bäckerei zu mahlen.
Mit Datum vom 16. März 1861 weist das Amt Wittmund in einem Schreiben an die Königliche Landdrostei Aurich als
zuständiger Genehmigungsbehörde darauf hin, daß nach § 53 der Gewerbeordnung die Errichtung einer solchen
Mühle zwar frei sei, äußert aber gegen eine Konzessionierung schwere Bedenken: "Die Bittstellerin ist aber auch
Krämerin und daher zum Mehlhandel berechtigt. Eine Kontrolle, daß die Mühle auch nicht für den Mehlhandel arbeite,
scheint unmöglich." Es wird vorgeschlagen, im Falle der Mühlenanlage der Bittstellerin die Befugnis zum Mehlhandel
zu entziehen.
Bereits vier Tage später, am 20. März 1861, erteilt die Königliche Landdrosterei zu Aurich die Genehmigung zur
Errichtung einer Roßmühle durch die Bäckerin Koch zu Eggelingen, nicht ohne ihr ausdrücklich den Handel mit dem
selbst gemahlenen Korn zu untersagen. Bei Zuwiderhandlung droht man ihr mit der ganzen Strenge des Gesetzes,
nötigenfalls mit der Entziehung der Konzession.
So kann Eggelingen zwar nicht auf herkömmliche Mühlen verweisen, doch die Errichtung einer Roßmühle war schon
etwas besonderes, da sie in Ostfriesland nur wenig vertreten war. Ihr Hauptverbreitungsgebiet war das südliche
Oldenburg. Im Raum Eggelingen soll es jedoch auch Roßmühlen auf einigen Höfen gegeben haben.
Die Bäckerin Witwe Koch, die den Betrieb der Roßmühle beantragte, war wahrscheinlich die Ehefrau des Joh. Heinr.
Koch, welchem von 1857 bis 1883 das jetzige Haus Warfstraße Nr. 17 gehörte. Durch mündliche Überlieferungen ist
uns bekannt, daß in diesem Haus z. B. vor der Jahrhundertwende Lütjes Otten eine Bäckerei betrieb. In dem Haus
befand sich damals auch bereits eine Gastwirtschaft. Eine Kegelbahn soll es hier ebenfalls gegeben haben und
Fremdenzimmer zum übernachten. Älteren Eggelingern ist noch bekannt, daß später die Geschwister Bernhard, Jürn,
Heinrich, Adriane und Mariechen Arians diese Besitzung erwarben und hier einen Laden und eine Gastwirtschaft
betrieben. Zu dem Haus gehörten auch einige Diemat Land, so daß Viehhaltung möglich war. Bernhard Arians
betätigte sich außerdem als Viehhändler. Das Haus mit den Stallungen ist ja noch vorhanden, und man erkennt heute
noch, daß es Platz für derartige Aktivitäten bot. Leider haben die Geschwister Arians nicht aufgepaßt, so daß ihre
Besitzung Anfang der dreißiger Jahre verkauft werden mußte. Sie wurde erworben von dem Müller Struckmann aus
Wiefels, der den Laden aufgab und nur noch die Gastwirtschaft und die Landwirtschaft betrieb. Mit der übernahme
der Besitzung durch die Eheleute Fauerbach wurde 1942 auch die Gastwirtschaft eingestellt. Damit war die
gewerbliche Tätigkeit in diesem Haus zuende.
In den Läden hier am Ort gab es nicht nur Brot und sonstige Backwaren sowie andere Lebensmittel aller Art zu
kaufen, sondern sie hielten ein reichhaltiges Angebot an Gütern des täglichen Bedarfs vorrätig. Seife, Wasch- und
Putzmittel, Schuhcreme und Stiefelfett, Schnürsenkel, Besen und Bürsten, Holzschuhe, Holzpantinen, Pantoffeln,
Kämme und Haarschleifen, billiger Schmuck und vieles mehr wurde hier angeboten. Was die Kinder in der Schule
benötigten, Hefte, Zeichenblocks, Schiefertafeln, Griffel, Stahlfedern und Federhalter, später auch Füllfederhalter,
Bleistifte und Radiergummi waren zu haben. Es handelte sich um die sogenannten Kramläden bzw.
Gemischtwarengeschäfte wie man sie später nannte. Auch Petroleum gab es hier zu kaufen, ein wichtiger
Bedarfsartikel vor der Einführung des elektrischen Lichts. Ein Gemischtwarengeschäft der geschilderten Art betrieb
in dem Haus Warfstr. 15 der Bäcker Eilert Carstens, der in seinem erlernten Beruf als Bäcker auswärts arbeitete und
in seinem Haus Anfang des Jahrhunderts zunächst eine Brotniederlage einrichtete, den Betrieb dann jedoch im Laufe
der Zeit erweiterte. Das Geschäft wurde in den dreißiger Jahren übernommen von seiner Tochter Helene Iderhoff, die
das Haus 1949 wesentlich umbaute und erweiterte. Nach dem Ableben der Eheleute Iderhoff wurde das Geschäft 1961
eingestellt.
An der Wangerlandstraße besaßen die Eheleute Hero und Marie Otten ein Gemischtwarengeschäft, zu dem früher
auch eine Kohlenhandlung gehörte. Nach dem Tod der Eheleute Otten führte die Tochter Elfriede Wogt das Geschäft.
Das Warensortiment wurde jedoch vor einigen Jahren erheblich eingeschränkt. In der Hauptsache gab es zuletzt nur
noch Backwaren und Zeitschriften. 1990 wurde der Betrieb ebenfalls eingestellt.
Die Handwerksbetriebe, die mit der Landwirtschaft am stärksten verknüpft waren, waren wohl die Schmiedebetriebe,
von denen wir zwei im Ort hatten. An der Kreisstraße gegenüber dem jetzigen Feuerwehrhaus hatte Eibe Becker seine
Schmiedewerkstatt, die er von seinem Vater Itze Becker übernommen hatte. Die ältere Schmiede war jedoch offenbar
die von Karl Claassen an der Dorfstraße, jetzt Warfstraße Nr. 3.
In den Schmieden wurden insbesondere die Eisenteile hergestellt, die als Beschläge an allen Arten von Pferdewagen,
insbesondere an den schweren Ackerwagen verwendet wurden. Auch die Eisenbereifung der Pferdewagen wurde in
den Schmieden angefertigt. Bei der Herstellung neuer Wagen arbeiteten die Schmiede eng mit den Stellmachern in
der Stadt zusammen, die die Holzteile anfertigten und zusammensetzten. Aber auch sonst wurde vieles, was aus
Schmiedeeisen war und in der Gemeinde gebraucht wurde, in den hiesigen Schmiedewerkstätten hergestellt, z. B.
Eisenbeschläge an Viehställen und Stalltüren, Eggen, Pflugscharen, Schiebkarren, Spaten und vieles mehr. Auch der
Verkauf und die Reparatur von Landmaschinen, von Fahrrädern und Ersatzteilen aller Art gehörten zum Geschäft der
Schmiede, später auch der Betrieb einer Tankstelle.
Wegen der großen Anzahl der Pferde, die es auf den Höfen gab, war der Hufbeschlag in den Schmieden ein ganz
wesentlicher Arbeitszweig. Verantwortlichen Hufbeschlag durfte nur der Schmied ausführen, der dafür eine
besondere Ausbildung nachweisen konnte; denn das Beschneiden der Hufe mit einem scharfen Spezialmesser, das
Anpassen der glühenden Eisen und das Festnageln erforderten große Vorsicht und viel Geschick. Ungefährlich war
diese Arbeit nicht. Herm.Becker ist dabei von einem Pferd geschlagen worden und an seinen Verletzungen gestorben.
Da sich die Arbeit der Schmiede vielfach draußen vor der Werkstatt abspielte, standen oft Schaulustige dabei. Karl
Claassen und sein Altgeselle Jakob Jakobs erlaubten auch Kindern, ihnen in der Werkstatt bei der Arbeit
zuzuschauen. Das war besonders interessant, wenn im Herbst und Winter bei früher Dunkelheit die Werkstatt nur
durch das Schmiedefeuer spärlich erhellt und das Klingen von Hammer und Amboß durch das halbe Dorf zu hören
war.
Eibe Becker ließ Anfang der dreißiger Jahre seine Werkstatt erheblich vergrößern. Er hatte schon beizeiten eine
moderne Einrichtung, z. B. elektrisch betriebene Bohrmaschinen und sonstige Geräte, während bei Karl Claassen
diese Maschinen noch per Hand betrieben werden mußten. Eibe Becker besaß schon vorzeitig einen modernen
Schweißapparat. Karl Claassen arbeitete noch umständlich mit einem im Feuer erhitzten Lötkolben. Aber Löcher in
Kochtöpfen und Kesseln konnte man auch damit abdichten.
Eibe Becker beschäftigte in seinem Betrieb durchweg einen Gesellen und bildete gleichzeitig einen oder zwei
Lehrlinge aus. Als er 1964 starb, wurde die Werkstatt aufgegeben.
Den Betrieb von Karl Claassen übernahm Anfang der fünfziger Jahre der Sohn seines Altgesellen, Schmiedemeister
Hermann Jakobs. Im Laufe der Jahre ließ er eine neue Werkstatt mit Verkaufsraum errichten, modernisierte den
Betrieb, erweiterte sein Warenangebot und stellte sich weitgehend auf den Verkauf und die Reparatur moderner
Landmaschinen um. Nach seinem Tod 1981 wurde jedoch auch dieser Betrieb aufgegeben.
"Up Hoecht", in dem jetzigen Haus Nr. 1, wohnte der Bauunternehmer Otto Heeren, der bis 1924 auch Bürgermeister
war. Auch er beschäftigte Gesellen und Lehrlinge und war offenbar ein angesehener Meister seines Fachs. Er starb
Mitte der dreißiger Jahre. Den Betrieb hatte er schon vorher aufgegeben, denn er hatte keinen Betriebsnachfolger.
In dem Haus Warfstraße Nr. 8 betrieb Reent Heeren als Tischler und Zimmerer seine Werkstatt, und ihm schräg
gegenüber in dem Haus Warfstraße Nr. 13 war Hans Bluhm ebenfalls als Tischler und Zimmerer in eigener Werkstatt
selbständig tätig. Sie stellten Fenster und Türen her, waren in vielen Häusern mit Reparaturarbeiten beschäftigt; und
wenn in einer der Werkstätten abends spät noch gehämmert und geklopft wurde, wußte man, daß im Dorf jemand
gestorben war und der Sarg gezimmert wurde. Die Verstorbenen wurden damals noch zu Hause aufgebahrt. Das
Einsargen und Verkleiden der Leiche besorgten die Nachbarn.
Reent Heeren starb Mitte der dreißiger Jahre, Hans Bluhm 1963. Mit ihnen gingen auch ihre Werkstätten dahin.
Im Haus Warfstraße Nr. 21 wohnte der Schuhmachermeister Johann Christians, und im Haus Warfstraße Nr. 1 hatte
der Schuhmachermeister Onno Jabben seine Werkstatt. Johann Christians starb Mitte der dreißiger Jahre, und Onno
Jabben 1942. Obwohl sie tüchtige Handwerker waren und nicht nur Schuhe reparieren, sondern auch, was selten
genug vorkam, herstellen konnten, hatten sie keine Gesellen und.Lehrlinge mehr beschäftigt. Dafür reichten die
Betriebe offenbar nicht aus. Mit ihren Meistern "starben" auch die Betriebe.
Die vielfältigsten wirtschaftlichen Aktivitäten gab es wohl in dem Haus Warfstraße Nr. 2. Schon vor dem ersten
Weltkrieg betrieb hier die Familie Siemens eine Gastwirtschaft, ein Kolonialwarengeschäft, eine Lohnmüllerei mit zwei
großen Mahlgängen, die durch einen Dieselmotor angetrieben wurden, und eine Lohndrescherei mit 3 kompletten
Dreschsätzen. Es wurde das gesamte Maschinenpersonal mit drei Werkführern beschäftigt. In den zwanziger Jahren
ist das Haus in den Besitz der Familie Voss übergegangen, die hier eine private Molkerei betrieb. Das war jedoch
nicht von langer Dauer. Gerhard Otten und Heidi Otten geborene Siemens, eine Tochter des Vorbesitzers, erwarben
das Grundstück und betrieben weiterhin die Gastwirtschaft, die Müllerei und selbstverständlich nebenher eine
Landwirtschaft. In diesem Haus feierten der Handwerkerverein, der Stahlhelm, später der Boßelverein und die
Feuerwehr ihre Feste, denn es gab neben dem Schankraum ein Clubzimmer, einen kleinen Saal und eine Bühne. In
diesem Haus tagten der Gemeinderat, die Vorstände der örtlichen Vereine, hier fanden Versammlungen und Wahlen
statt. Außerdem war hier die Poststelle untergebracht. 1963 eröffneten Hermann und Alice Memenga geborene Otten,
wiederum eine Tochter der Vorbesitzer, erneut ein Gemischtwarengeschäft und betrieben dies zusammen mit der
Gastwirtschaft, die umgebaut und modernisiert wurde. Der Betrieb wurde 1979 eingestellt. Die Poststelle verblieb hier
bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1984.
In dem Haus Warfstraße Nr. 4 wohnte seit dem Ende der zwanziger Jahre die Familie Decker. Reiner Decker betätigte
sich als selbständiger Viehhändler bis zum Erreichen des Rentenalters. Er betrieb hier außerdem Landwirtschaft.
In dem Haus Wangerlandstraße Nr. 10 hatte der Malermeister Heinrich Frerichs seine Werkstatt. Es war zuletzt ein
Einmannbetrieb. Vor dem zweiten Weltkrieg beschäftigte Frerichs jedoch auch zwei Gesellen. Als er Anfang der
fünfziger Jahre starb, pachtete Malermeister Harm Heidemann das Geschäft. Er hat es jedoch nur einige Jahre
ausgeübt.
Nach dem zweiten Weltkrieg gab es noch die Neugründung einiger gewerblicher Betriebe. Nach dem Ablegen seiner
Meisterprüfung machte Bernhard Tholen, Wangerlandstraße Nr. 4, sich als Bauunternehmer selbständig. Er
beschäftigte mit der Zeit mehrere Gesellen und Arbeiter und bildete Lehrlinge aus. Seine Firma führte nicht nur
Reparaturen aus, sondern sie baute in der Gemeinde eine Anzahl neuer Wohnhäuser und sonstiger Gebäude, z. B.
das Feuerwehrhaus. Als Bernhard Tholen 1980 starb, wurde der Betrieb eingestellt.
Paul Fuchs, Vertriebener aus Schlesien, erwarb im Jahre 1949 das Haus Runddeel Nr. 7 und gründete hier eine
Bäckerei mit Laden. Anfang der sechziger Jahre gab er den Betrieb auf, weil er eine andere Arbeit übernahm.