Eggelingen
Ortschaft in Ostfriesland, seit 1237
DIE POLITISCHE GEMEINDE EGGELINGEN In seinem Buch über den Landkreis Wittmund schreibt KarlHeinz de Wall, daß früher die dörflichen Schütte- bzw. Rottmeister die Selbstverwaltung örtlicher Angelegenheiten verkörperten, und daß die staatliche Verwaltung ausschließlich von den Beamten des gräflichen und später fürstlichen Amtes wahrgenommen wurde. Als das Königreich Hannover im Jahre 1819 das bisherige Amt des Schütte- bzw. Rottmeisters aufgehoben habe, sei an dessen Stelle der auf drei Jahre gewählte Hauermeister getreten. Dieser habe seine Aufgaben unter der Leitung des Amtes durchgeführt. In der praktischen Entwicklung seien damit die Dörfer zu den Ämtern nachgeordneten Verwaltungseinheiten geworden. Ein nennenswerter Freiraum für in eigener Verantwortung zu erfüllende örtliche Aufgaben sei ihnen nicht geblieben. Das Hannoversche Landesverfassungsgesetz vom 6. August 1840 habe diesen unbefriedigenden Zustand wieder aufgehoben, denn es habe für die Landgemeinden die Anerkennung als öffentliche Körperschaften im Rahmen des Staates enthalten mit dem Recht, ihr Vermögen eigenverantwortlich und selbständig zu verwalten und ihre inneren Verhältnisse zu regeln. Als politische Gemeinde war Eggelingen in neuerer Zeit mithin eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie gehörte zur untersten Stufe der öffentlichen Verwaltung. Die Aufgaben der politischen Gemeinden wurden in Deutschland erstmals einheitlich 1935 durch eine Gemeindeordnung geregelt. Diese war jedoch auch durch nationalsozialistische Gedanken geprägt. Nach 1945 erließen die neu gegründeten Bundesländer Gemeindeordnungen, in denen der organisatorische Aufbau und die Aufgaben der Gemeinden nach demokratischen Grundsätzen neu geregelt wurden. Zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten der hiesigen Gemeinde gehörten im wesentlichen: die Unterhaltung der Gemeindestraßen und -wege die Beschaffung und Unterhaltung des Inventars der Schule die Unterhaltung der der Gemeinde gehörenden Grundstücke und Gebäude das Fürsorge- bzw. Sozialhilfewesen das Feuerlöschwesen. Die Gemeinde Eggelingen war eine für unsere Gegend typische Landgemeinde. Das zu erschließende Gemeindegebiet war weitläufig. Zu den zu unterhaltenden Gemeindestraßen und -wegen gehörten im wesentlichen: die Warfstraße 275 m die Straße Runddeel 249 m der Kirchlandweg 92 m der Schluisweg 1.539 m der Barumser Weg 3.256 m der Großwarfer Weg 1.500 m die Eggelinger Siedlung 104 m der Greehörner Weg 1.438 m der Middoger Weg 1.965 m die Greehörner Siedlung 200 m der Berdumer Weg 1.098 m zusammen 11.716 m Der Toquarder Weg, der größte Teil des Kirchlandweges bis zum Hof Fauerbach, der Weg vom Schluisweg zum Hof Reents, der Zuchtweg zum Hof Galts und die Wege nach Schinackens und Itzhausen wurden erst nach der Gemeindereform als öffentliche Stadtstraßen gewidmet. Vom Barumser Weg waren 1.880 m und vom Middoger Weg 550 m unbefestigt. Diese unbefestigten Strecken sind auch heute noch vorhanden. Die Gemeinde war Trägerin der hiesigen Volksschule. Das heißt jedoch nicht, daß sie Einflug hatte auf die Gestaltung des Unterrichts. Sie war auch nicht zuständig für die Anstellung und Besoldung des Lehrers. Das alles regelte das Land. Die Gemeinde war aber dafür verantwortlich, daß ein Schulgebäude zur Verfügung stand. Hier in Eggelingen gehörte das Schulgebäude der Kirche, die es der politischen Gemeinde als Schulträgerin überließ. Im übrigen war die politische Gemeinde zuständig für die Anschaffung und Unterhaltung des gesamten Inventars der Schule, von den Möbeln bis zu den Unterrichtsmitteln, und selbstverständlich für die Beheizung und Pflege der Schulräume. Der Verwaltung eigener Grund und Boden und eigener Gebäude erforderte hier wenig Aufwand, weil die Gemeinde Eggelingen lange Zeit nur Eigentümerin eines einzigen Grundstücks war, nämlich des am früheren Schulplatz liegenden Gemeindehausgrundstücks, früher auch Armenhaus genannt. Es war in seiner Bauweise und Ausstattung aus heutiger Sicht mehr als primitiv. In dem Haus befanden sich vier kleine Wohnungen, die vielfach überbelegt waren. Die Stadt Wittmund ließ es nach der Gemeindereform abbrechen. Das Grundstück wurde privat verkauft. Auf ihm steht jetzt ein modernes Einfamilienhaus (Kirchlandweg Nr. 6). Noch wenige Jahre vor der Gemeindereform erwarb die Gemeinde Eggelingen gegenüber der Schule ein Hausgrundstück, ließ das hier stehende alte Haus abbrechen und 1965/1966 ein neues Lehrerwohnhaus mit zwei modernen Wohnungen bauen. Die Kosten beliefen sich auf ca. 110.000 DM und überstiegen selbstverständlich die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Der Hau war daher nur mit erheblichen staatlichen Zuschüssen möglich. Nach dem Anschlug der Gemeinde an die Stadt Wittmund hat diese das Doppelhaus an Privatpersonen verkauft. Es handelt sich um das Haus Kirchlandweg Nr. 4a/4b. Auf dem Gebiet des Fürsorgewesens (später. Sozialhilfe) lag die Entscheidungsbefugnis weitgehend beim Landkreis. Die Gemeinde war durch Amtshilfe beteiligt, indem sie nötigenfalls Feststellungen an Ort und Stelle traf. Ihre finanzielle Beteiligung richtete sich danach, ob es sich bei dem Hilfsbedürftigen um einen Alteingesessenen oder Zugewanderten handelte. Auch das Feuerlöschwesen gehörte zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde. über die Feuerwehr, die hier 1934 gegründet wurde, schreiben wir jedoch in einem besonderen Abschnitt. Neben den Selbstverwaltungsaufgaben hatte die politische Gemeinde noch eine Reihe von Auftragsangelegenheiten zu erledigen. Das waren Aufgaben, die ihr vom Staat übertragen worden waren. Dazu gehörte z.B. die Führung der Einwohnermeldekartei mit der Vielzahl der An- und Abmeldungen, das Personenstandswesen mit der Führung der Personenstandsbücher zur Beurkundung von Geburten, Eheschließungen und Sterbefällen. Diese Register wurden bis 1876 durch die Kirche geführt. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren, als Lebensmittel und andere Güter bewirtschaftet waren, kam hinzu die Verteilung der Lebensmittelmarken und die Ausstellung von Bezugsscheinen. Auch bei der Unterbringung der Vertriebenen und Flüchtlinge war die Gemeinde wesentlich beteiligt. Zudem leistete sie auf vielen Rechtsgebieten für andere Behörden Amtshilfe. Diese Aufzählung soll nur einen kleinen Einblick verschaffen in den umfangreichen Aufgabenbereich einer kleinen Landgemeinde und ist bei weitem nicht vollständig. Um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können, brauchte die Gemeinde Geld. Sie hatte daher ihren eigenen Haushalt, ihre eigene Kasse und stellte jährlich einen Haushaltsplan auf. Die wichtigsten eigenen Einnahmen der Gemeinde waren die Grundsteuer A für landwirtschaftliche Grundstücke, die Grundsteuer B für sonstige Grundstücke, die Gewerbe- sowie die Hundesteuer und die Vergnügungssteuer. Die Steuersätze wurden vom Rat der Gemeinde festgesetzt. Einen Gewerbesteuerausgleich erhielt die Gemeinde für ihre Einwohner, die in Betrieben in anderen Gemeinden arbeiteten. Entsprechend ihrer Steuerkraft mußte die Gemeinde an den Landkreis eine Kreisumlage entrichten, erhielt von dort aber im Rahmen eines allgemeinen Finanzausgleichs Finanzzuweisungen für spezielle Vorhaben. Ohne Zuweisungen von höherer Stelle reichten die eigenen Finanzen im allgemeinen bei weitem nicht aus. Die Leitung der Gemeindegeschäfte oblag dem Rat der Gemeinde und dem Bürgermeister. Die Ernennung bzw. Wahl der Mitglieder des Rats und des Bürgermeisters, ihre Aufgabenverteilung und ihre Befugnisse waren unter den wechselnden politischen Systemen unterschiedlich. Während der NS-Zeit, als das sogenannte Führerprinzip herrschte, hatte der Bürgermeister erhebliche Entscheidungsbefugnisse, während die Mitglieder des Rats durchweg nur beratende Funktion hatten. Mit der Wiedereinführung demokratischer Verhältnisse, wie sie vor 1933 ähnlich bestanden hatten, hatte zumindest auf dem Gebiet der Selbstverwaltung der Gemeinderat die Entscheidungen zu treffen. Der Bürgermeister war Erster unter Gleichen, führte den Vorsitz im Rat und erledigte als ehrenamtlicher Gemeindedirektor die Verwaltungsgeschäfte der Gemeinde. Der Bürgermeister war gleichzeitig ehrenamtlicher Standesbeamter. Seit 1871 sind uns die Namen folgender Gemeindevorsteher (diese Bezeichnung galt wahrscheinlich noch in den dreißiger Jahren) bzw. Bürgermeister in Eggelingen bekannt: 1871 - 1888 Jabbo Oltmanns 1888 - 1900 Diedrich W. Jürgens 1900 - 1906 Meent Meents 1906 - 1924 Otto Heeren 1924 - 1946 Jabbo Oltmanns 1946 - 1972 Oltmann Oltmanns, Sohn des Vorgängers Otto Heeren war von Beruf Bauunternehmer und wohnte in Up Hoecht. Jabbo Oltmanns war Landwirt in Großwarfen. Sein Sohn und Hoferbe wurde am B. Mai 1946 von der britischen Militärregierung als Bürgermeister eingesetzt und wurde in den folgenden Gemeinderatswahlen immer wieder gewählt. Das Amt des Gemeindevorstehers bzw. Bürgermeisters und das Standesamt befanden sich mithin 48 Jahre ununterbrochen im Hause der Familie Oltmanns in Großwarfen. Gemeindekassenverwalter waren: 1942 - 1947 Alice Memenga geb. Otten 1947 - 1952 Alma Bildhoff geb. Schwitters 1952 - 1962 Alice Memenga 1962 - 1972 Horst Wogt Die Sitzungsprotokolle des Gemeinderats schrieb von 1946 bis 1968 das Gemeinderatsmitglied Frerich Rohlfs. Danach hat der Bürgermeister die Protokolle selbst geführt. Der Gemeinderat tagte durchweg alle drei Monate in der Gastwirtschaft Otten bzw. Memenga. Gemeindediener war Anfang der zwanziger Jahre der Schuhmachermeister Onno Jabben. Danach übte Peter Frerichs diese Tätigkeit aus. In den dreißiger Jahren war Jans Ahrends als Gemeindediener tätig. Von 1938 bis Ende der fünfziger Jahre war Theodor Tholen Gemeindediener, und nach ihm bekleidete Willi Kohl dieses Amt bis zur Auflösung der Gemeinde Eggelingen. Die Hauptaufgabe des Gemeindedieners war wohl das Einholen der Gemeindesteuern. Bürgermeister, Kassenverwalter und Gemeindediener erhielten angemessene Aufwandsentschädigungen. Die politische Gemeinde hatte auch nach dem Zusammenbruch 1945 nicht aufgehört zu bestehen. Es ist praktisch keine Unterbrechung in der Gemeindetätigkeit eingetreten, während das Deutsche Reich und das Land Preußen von der Landkarte verschwanden. Der Neuaufbau der Verwaltung, zunächst unter der Diktatur der Militärregierung, später nach demokratischen Grundsätzen und unter freien Wahlen, setzte bei der Gemeinde an. Daß auch in der Gemeinde Eggelingen die schweren Probleme der Nachkriegszeit, über die wir noch an anderer Stelle sprechen, gelöst wurden, ist weitgehend den Gemeindemitgliedern zu verdanken, die in der schweren Zeit bereit waren, in der politischen Gemeinde ehrenamtlich mitzuarbeiten. Bei den alle vier Jahre stattfindenden Gemeinderatswahlen wurden die Bewerber durchweg von den politischen Parteien benannt. Dabei dominierten hier die FDP, deren Bewerber überwiegend selbständige Landwirte oder Gewerbetreibende waren, und die SPD, welche die Arbeitnehmerschaft vertrat. Die Kandidatur über die politischen Parteien hatte hier jedoch mehr formellen Charakter. Es gab daher im Gemeinderat so gut wie keine parteipolitischen Auseinandersetzungen. Mit der Zeit zeichnete sich ab, daß eine Gemeinde- und Verwaltungsreform fällig wurde. Die Zahl der Gesetze, die in den Verwaltungen zu bearbeiten waren, wurde immer größer, und ihre Handhabung komplizierter. Auf die Dauer wären damit die ehrenamtlichen Kräfte in den kleinen Landgemeinden wohl kaum fertig geworden. Größere und leistungsfähigere Gebietskörperschaften, die auch moderne Bürotechnik wie Computer rationell einsetzen konnten, waren das Ziel der Reform. Es war daher leicht abzuschätzen, daß eine kleine Landgemeinde wie Eggelingen diese Entwicklung nicht überdauern würde. Der Eggelinger Gemeinderat beschloß daher, einem gesetzlichen Zusammenschlug mit anderen Gemeinden zuvorzukommen und einen vertraglichen Zusammenschlug mit der Stadt Wittmund zu vereinbaren. In seiner Ausgabe vom 3. Dezember 1971 berichtete der Anzeiger für Harlingerland, im Rathaus zu Wittmund seien die Bürgermeister und einige Ratsherren von Wittmund und Eggelingen sowie Vertreter der Verwaltung zusammengekommen, um den Gebietsänderungsvertrag zu unterzeichnen. Damit wurde die politische Gemeinde Eggelingen der Stadt Wittmund angegliedert. Die Vereinbarung wurde am 30. Juni 1972 wirksam. Dem letzten Rat der Gemeinde Eggelingen gehörten an: Oltmann Oltmanns (Bürgermeister) Eduard Ahrends Christian Groninger Richard Henkel Otto Jürgens Jürgen Kunstreich Siebelt Otten In dem Zeitungsbericht wurde noch erwähnt, daß das Gebiet von Eggelingen einen Flächeninhalt von 1.140 ha hat und daß hier 407 Menschen wohnen. Mit Datum vom 30. Juni 1972 schrieb der Landkreis Wittmund an den früheren Bürgermeister von Eggelingen folgenden Brief: "Sehr geehrter Herr Oltmanns! Mit dem heutigen Tage hört Ihre Gemeinde aufgrund der gesetzlichen Regelung im Zuge der Gemeindegebietsreform auf zu bestehen. Das ist für die Gemeinde und ihre Einwohner sicherlich kein Tag der reinen Freude. Denn über Jahrhunderte hat die Gemeinde alle Aufgaben zufriedenstellend erfüllen können, die ihr in der wechselvollen Geschichte seit ihrer Entstehung bis heute zum Wohle ihrer Einwohner gestellt worden sind. Während eines Teiles dieser langen Zeit lag die Leitung der Geschicke Ihrer Gemeinde auch in Ihren Händen. Ich möchte Ihnen deshalb, zugleich auch im Namen meiner Mitarbeiter, herzlich danken für Ihre stets loyale und fruchtbare Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung. Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute und Ihrem Gemeindegebiet und dessen Einwohnern in dem neuen Gemeinwesen eine glückliche Zukunft. Mit freundlichen Grüßen Ihr Strauß" Damit endet die Geschichte der politischen Gemeinde Eggelingen. Oltmann Oltmanns wurde für seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit als Bürgermeister mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seit seinem Zusammenschlug mit Wittmund ist Eggelingen mit seinen umliegenden Ortsteilen nunmehr eine Ortschaft der Stadt Wittmund. Der Rat der Stadt Wittmund hatte daher nach den Bestimmungen der Niedersächsischen Gemeindeordnung für Eggelingen einen Ortsvorsteher zu bestimmen. Der Ortsvorsteher ist Ehrenbeamter. Er hat die Belange der Ortschaft gegenüber den Organen der Stadt zur Geltung zu bringen und im Interesse einer bürgernahen Verwaltung Hilfsfunktionen für die Stadtverwaltung zu erfüllen. Der Ortsvorsteher kann in allen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen, Vorschläge machen und vom Stadtdirektor Auskünfte verlangen. Das Nähere regelt die Hauptsatzung. Ortsvorsteher in Eggelingen war seit 1972 Otto Otten aus Kleinwarfen. Er gehörte seitdem (mit Unterbrechung von 1976 bis 1981) als Ratsherr dem Rat der Stadt Wittmund an. Otto Otten hat für die Kommunalwahl am 6. Oktober 1991 nicht wieder kandidiert, weil er beabsichtigte, seinen Wohnsitz in Eggelingen aufzugeben. Statt seiner wurde Willi Lüpke, Eggelingen, Greehörner Siedlung 10, in den Stadtrat gewählt. Ihm gelang es gleichzeitig, einen Sitz im Kreistag zu erringen. In der konstituierenden Sitzung des Rats der Stadt Wittmund am 26. November 1991 wurde Willi Lüpke neuer Ortsvorsteher in Eggelingen.
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