Ortschaft in Ostfriesland, seit 1237
EGGELINGEN IM LAUFE DER JAHRHUNDERTE
Das alte Amt Wittmund (ohne Friedeburg) umfaßte die acht Kirchspiele Glockenschlag, BIersum, Burhafe, Buttforde,
Funnix, Berdum, Eggelingen und Asel. Der sogenannte Glockenschlag war ein Teil des Kirchspiels Wittmund mit
Updorf, Willen, Hattersum, Uttel, Algershausen, Grashausen, Mosewarfen, Nenndorf sowie Toquard (dieses jedoch
nur bis etwa Mitte des 17. Jahrhund~rts). Verwaltungsmäßig bildete der Glockenschlag eine selbständige Vogtei. Ob
Glockenschlag und Flecken Wittmund schon immer getrennt verwaltet wurden, ist nicht bekannt.
Das Gebiet nördlich der Kirchspiele Funnix und Berdum zwischen Altfunnixsiel und der Küste sind spätere
Anlandungen, die nach der Eindeichung dem Amt zugeschlagen wurden.
Das Amt hatte acht Vogteien. Die Grenzen der Vogteien deckten sich mit den Grenzen der Kirchspiele. An der Spitze
jeder Vogtei stand ein Vogt, wobei allerdings manchmal ein Vogt für mehrere Vogteien zuständig war.
Die obigen Ausführungen haben wir dem Buch "Die Einwohner des alten Amtes Wittmund von 1565 bis 1752" von
Heyko und Eva Heyken entnommen. Darin heißt es dann weiter:
"Eggelingen liegt etwa gleich weit von Wittmund und Jever entfernt. Ursprünglich bildete das Leerhafer Tief die
Grenze zu östringen. Das Land war zum Teil Sietland. Es lag so tief, daß es bei Sturmfluten häufig überschwemmt
wurde. Das Wasser kam dann nicht nur von der Harlebucht, die bis an Berdum und Eggelingen heranreichte, sondern
auch vom Jadebusen her. Als Schutz gegen diese Gefahren wurde, wohl schon im 14. Jahrhundert, jedenfalls vor
1477, die 'Sietwende' gebaut, ein Deich in nordsüdlicher Richtung zwischen dem Harlingerland und dem heutigen
Jeverland. Eine Grenzleide führte das Binnenwasser in die Harlebucht ab.
Doch noch 1605 klagen die Einwohner von Asel, Eggelingen und Berdum, "daß sie des Wassers nicht können queit
werden", in trockenen Jahren ist es jedoch eine fruchtbare Gegend (B. Arend, S. 193).
Die hochgelegenen Warften teils natürlich entstanden, oft durch Menschenhand aufgehöht oder auch überhaupt
künstlich angelegt schützten schon lange vor dem Bau von Deichen vor Sturmfluten. Eggelingen soll zu den
Warfsiedlungen gehören, die schon um Christi Geburt entstanden sind (de Wall, S. 28). Später waren sie der Standort
für die Steinhäuser die Burgen der Häuptlinge, die überdies zusätzlichen Schutz vor Wasser und Feinden boten.
Eggelingen und hier muß man Toquard mit dazu rechnen hatte eine ganze Reihe solcher Steinhäuser. Vielleicht die
älteste Warf und vielleicht auch mit einem Steinhaus bebaut könnte "die Klinge" sein, denn die ältesten
Bezeichnungen für Eggelingen lauten "Villa Anaclingum" (1124, OUB Nr. 7 nach de Wall, S. 218) bzw. "Enaklingha"
(1158, Hout rouw, S. 389). Dann sind hier zu nennen "Die Burg" und "Die Klunder", insbesondere aber Harringhausen,
wo das älteste nachweisbare Häuptlingsgeschlecht von Eggelingen seinen Sitz hatte. Weiterhin liegt der
Rickleffsberg hier an der Straße nach Wittmund, wo vermutlich die urkundlich nicht nachgewiesene Rickleffsburg
gestanden hat. Balthasar Arend berichtet (S. 197, s. auch S. 152) von einem Prozeß, den die Harringa gegen die
Kirche führten wegen der Abgaben von einer dritten Burgstelle das könnte die Rickleffsburg gewesen sein; sie wurde
wohl 1540 zerstört. Ferner gab es "Die Klunder"; sie könnte die Burg sein, von der es in einer alten Aufzeichnung
heißt: "Heft Salige Hicko Bovnaß entfangen vor de Distructie der Borch Uttel", die er von seiner Großmutter Tomma
Kankena geerbt hatte (Ulrich von Werdum, Series, S. 28, Fußnote 91).
Die größte und wohl eine der ältesten Burgstellen war auf Großwarfen. Noch um 1800 waren hier große Kellergewölbe
vorhanden und dicke Mauern mit Schießlöchern und Spuren eingeschossener Kanonenkugeln (Houtrouw, S. 390;
allerdings werden nur einige Bauteile einer älteren Burg zuzurechnen sein, Salomon, S. 81, Fußnote 489). Es geht die
Sage, daß hier einst ein Ritter oder Häuptling wohnte, der mit dem benachbarten Hibbelwarfen oder Ippelwarfen, wo
sich ebenfalls ein Steinhaus befunden hat, nach anderer Version mit Kleinwarfen, in ständiger Fehde lag, in der
letztlich die Großwarfener gesiegt hätten (B. Arend, S. 196; Houtrouw, S. 391). Eine weitere Warf, die schon früh mit
einem Steinhaus bebaut war, liegt neben der Kirche.
Erwähnung Eggelingens in weiteren Urkunden:
1237 wird ein Menze de Ekgelin in einem Vertrag zwischen dem Harlingerland und Bremen genannt (Houtrouw, S.
389).
In seinem Testament vom 01.10.1491 vermagt Hicko Boings von Werdum seiner Tochter Tomme "20 Dt
Eggelingwerven, dar Koert up wonet" und "30 Dt, dar Tyge Beves wonet" (OUB Nr. 649).
In einem Vergleich von 1576 zwischen Graf Edzard II. und Otto von Hoya wird Geerd von Eggelingen als Gräflicher
Rat genannt (vgl. Salomon, S. 83).
Am 01.05.1500 tritt Johan Roeloffs aus Eggelingen als Zeuge auf (OUB III Nr. 732) ... "
Soweit die Ausführungen in dem erwähnten Buch von Heyko und Eva Heyken.
Darüber hinaus liegt uns noch ein Brief von Eva Heyken vom 08.03.1986 an Pastor Herten vor. Darin heißt es u.a.:
"In Ergänzung zu dem, was schon in unserem Buch über Eggelingen steht, möchte ich noch ein paar Dinge
schreiben. Wir sind jetzt beim alten Flecken Wittmund. Da haben wir auch die Nachkommensliste des Bürgermeisters
Oncken bekommen, der ja aus Eggelingen stammte ... Eggelingen ist früher kein einheitlicher Ort gewesen, sondern
eine Reihe von großen und kleinen Inseln, umgeben von Siethland, das unter dem Meeresspiegel lag und häufig
überflutet wurde, einmal von der Harlebucht aus, andererseits von Goedens her. Erst durch den Bau der
Siethwendung wurde es nach dem Jeverland zu dicht. Die Bewohner wohnten auf Warfen, wie es heute noch auf den
Halligen ist. Hauptverkehrsstraße war zunächst das Wasser, und die Buchten boten sich als Häfen an, auch als
Schlupfwinkel für Seeräuber. So baute man früh feste Steinhäuser als Zufluchtsburgen. Unmittelbar neben der Kirche
stand ein solches Haus, das noch im 16. Jahrhundert bewohnt war von "Gerke bi de Kerke" oder "Gertke Papen",
vermutlich der Sohn eines Pastors.
Der letzte aus der Familie der Eggelinger Häuptlinge war in den ostfriesischen Beamtendienst getreten, Gert von
Eggelingen ist gräflicher Rat. Gertke Papen mag sein Neffe gewesen sein und dessen Frau die Tochter eines Tiart,
denn der Sohn heißt Tiart Gerken. Das Haus wurde später wohl bei den Kriegswirren zerstört.
Die alte Klunderburg erhielt nach 1540 das Haus Werdern als Entschädigung für die zerstörte Burg in Uttel. Der
jetzige Besitzer dieses Grundstücks hat beim Umbau noch alte Steine gefunden. Die alte Burg gehörte zum Besitz der
Familie Harringa, die eigentlich aus dem Norderland stammt, aber sowohl in östringen und Rüstringen wie im
Harlingerland Burgen hatte. Auch sie traten in den Verwaltungsdienst oder wurden Pastoren, wobei immer die mit
dem Vornamen Rickleff Pastoren wurden, während die mit dem Vornamen Sibo Beamte waren. Schon 1237 im Vertrag
zwi,schen Bremen und dem Harlingerland unterzeichnet ein Sibold Rickoldigge, also Sibo Rickels, beides die
Vornamen der Harringa oder Herrings, wie sie im Jeverland heißen, auch Herynghes.
Die alte Ricklefsburg ist vermutlich auch 1540 zerstört.Der Sitz des Sibo Harringa, 1530 Amtmann im Dienst des
Ulrich von Dornum (Verfechter der Reformation), war Harringhausen in Greehörn, was bedeutet, daß auch dies schon
Grodenland, also Anwachs des 15. Jahrhunderts war oder noch früher. Ähnlich ist es mit Fahnhusen bei BIersum, wo
der Sitz der Familie Jakob Harringa war, die später Heren genannt wurden. Der letzte Sibo Harringa geriet in Ungnade
beim "Gnädigen Herrn"; er starb kinderlos, und der Besitz verfiel.
Auch Itzhausen war einst eine befestigte Warf mit einem kleinen Häuptlingssitz; ein Pastor Iubbertus Itzhusius
unterzeichnet 1581 in Berdum das Bekenntnis zur Augsburger Konfession. Der Hof wurde später geteilt.
Auch Barums, früher Barmis oder Bahermis genannt, war ein alter Wohnsitz, der wohl nur stets unter den
Uberflutungen gelitten hat. Neben einigen kleineren Warfen war aber wohl GroßWarfen die bedeutendste Burganlage.
Hier finden wir den Stammsitz der Familie Oncken ... "
Der Landwirt und Hobby-Historiker Johann Onnen, wohnhaft gewesen in Wittmund in der Finkenburgstraße, hat sich
ebenfalls mit der Geschichte Eggelingens befaßt. In einer Beilage (Friesische Heimat) zum Anzeiger für Harlingerland
schrieb er unter der Uberschrift "Reich an Edelsitzen und freien Höfen" folgenden Artikel:
"In früheren Jahren war die Gemeinde reich an Edelsitzen und freien Höfen. Wahrscheinlich ist das neu eingedeichte
Land Eigentum der Fürsten gewesen und von ihnen an Edelleute vergeben worden. Wenn auch wohl die meisten
Besitzungen als Bauernplätze noch vorhanden sind, sind aber doch auch einige von ihnen gänzliCh verschwunden,
und die Ländereien den anderen Plätzen zugelegt. Von den früheren Besitzern wird ein Gerd von Eggeling genanpt.
Nach einer Urkunde hat er als "gräflicher Rat" und "Mitregent vom Harlingerland" im Jahre 1576 einen Vergleich
zwischen Edzard II. und Graf Otto von Hoya mit unterzeichnet. Uber seinen Wohnsitz und über sein Wirken ist nichts
bekannt. Ulrich von Werdum führt unter den Besitzungen, die Hicko Bojung von Werdum besaß, auch einen Platz im
"Eggelinger Karkspil" mit auf, den er einem alten Dokumente zufolge für die Zerstörung der Utteler Burg erhalten
habe. Auch hier weiß man nicht, um welchen Platz es sich handelt.
Über die zur Kirchengemeinde gehörigen Dörfer und Plätze berichtet Balthasar Ahrends wie folgt:
' ... Die dieser Kirche eingepfarrten Dörfer sind 1. das Kirchdorf Eggeling; 2. Toquart, allwo vor vielen Jahren der
sogenannte Steenscharrersiel ist belegen gewesen; 3. Zum Horn, allwo auch vorhin ein Siel gewesen, dessen Boden
annoch daselbst bei Heinrich Meiers Haus gefunden wird, wie denn auch der Siel tief und der alte Seedeich in dieser
Gegend zu sehen sind, daß man sich höchstens über den großen Anwachs dieses Landes zu verwundern hat; 4.
Itzhausen; 5. Barums; 6. Overwarfen und 7. Warfen, woselbst ein Steinhaus, welches von alters ist befestigt gewesen.
Unfern diesem Steinhause an der Jeverschen Grenze lieget ein erhabener Platz, Hibbelwarfen genannt, von welchem
man berichtet, daß auch auf selbigem vorhin soll ein Steinhaus gestanden sein. Weil aber zwischen diesem
Steinhause zu Warven immerwährende Uneinigkeit gewesen, so sei endlich dieses von jenem überwältigt und
vernichtet worden. Das Steinhaus zu Warven gehört Herrn Nikolai Onken, gewesenen Bürgerhauptmanns und
Kirchenvorstehers zu Wittmund nachgelassenen Erben, Hibbelwarfen aber Herrn Christian Onken, Bürger und
Kirchenvorsteher zu Wittmund ... Es ist auch ein adeliger Hof in diesem Kirchspiel, denen von Harringa zugehörig,
deren Vorfahren einer durch Tapferkeit im Kriege bei den vorigen ostfriesischen Grafen mit adeligen Freiheiten
begnädigt worden. Unfern von diesem Hof oder adeligen Gut lieget eine hohe Warf, insgemein auf der Borg genannt,
wie es denn sein kann, daß vormalen dieses Orts irgendwo mag eine Burg gewesen sein, gehöret zu dem Hofe derer
von Harringa ... '
Balthasar Ahrends erwähnt hier den schon zu Anfang benannten Steenscharrersiel und einen Siel beim Hause
Heinrich Meier. In einem alten Teichbuche von 1698, welches im Besitz der Wittmunder Deich und Sielacht ist, wird
ein Hinrich Meier genannt mit einem Besitz von 34 Diematen. Der Durchlaß im Weg nach Berdumer Oberdeich bei
SiebeIs Platzgebäude wurde früher als Steinschartsbrücke bezeichnet und wurde von der Deich und Siel acht
unterhalten. Diese Verpflichtung ist aber am 3. Juli 1880 gegen eine einmalige Vergütung an die Gemeinde Eggelingen
abgetreten."
Hibbelwarfen
"Ahrends spricht ferner von einem erhabenen Platz Hibbelwarfen. Er meint hiermit jene Anhöhe neben der Ibbelwarfer
Pumpe. Wir erfahren, daß schon damals das Platzgebäude verschwunden war, die Ländereien aber noch dem
Christian Onken in Wittmund gehörten. Nach dem alten Deichbuch waren es 44 Diemat; der Platz des Nikolaus Onken
hatte eine Größe von 64 Diemat.
Von Groß und Kleinwarfen schreibt Friedrich Ahrens um das Jahr 1820 folgendermaßen: 'Hier stehet östlich nache
der Südwendung ein Platz, den Erben des Hausmanns Habbo Ulrichs gehörig, wahrscheinlich das älteste Haus in der
ganzen Gemeinde. Unter demselben ist ein gewölbter Keller, und die Mauer des südlichen Giebels hat eine ungeheure
Dicke, mit sehr kleinen, winkelig geschnittenen Fenstern. Spuren von eingeschossenen Kanonenkugeln und von
Schießlöchern sieht man noch darin. Dem gegenüber stand auf Schußweite bei Kleinwarfen, aber auf einer Anhöhe,
ein anderes, ebenfalls sehr altes Gebäude, welches vor einigen Jahren durch ein Gewitter in Asche gelegt ist. Reste
schilfbewachsener Gräben um dieses sowie um jenes alte Haus sind noch deutlich zu erkennen.'
Weiter berichtet Ahrends, daß die Warfstätten "Klunder" und "Die Burg" noch mit verwachsenen Gräben umgeben
waren. Im alten Deichbuch ist "Dirk auf der Burg" mit 1 1/2 Diemat Land verzeichnet, er mußte für seinen Besitz auch
drei Fuß des Schaudeiches unterhalten. Der Name Ibbelwarfen ist noch erhalten geblieben durch die danach
benannte Ibbelwarfer Pumpe. Sie war Jahrhunderte hindurch das Streitobjekt in der Entwässerungsangelegenheit der
Gemeinde."
Harringhausen
"Wie Ibbelwarfen ist auch der frühere adlige Hof Harringhausen ganz verschwunden. Wie auch Balthasar Ahrends
berichtet, gehörte der Hof früher der Familie Harringa. Im Jahre 1579 übernahmen Siebo von Harringa, Siebold von
Folkershausen, Balthasar von Werdum, Balthasar von Fiekensholt sowie die Bürgermeister von Esens als die
vornehmsten Untertanen der Gräfin Agnes von Ritberg die Bürgschaft für ein von den Bremern erhaltenes Darlehen.
Reichlich hundert Jahre später steht im Deichbuch von 1698 ein Siebe Harringa .mit 64 Diemat als Bewohner, aber als
Eigentümer ein Herr von Steinson; demnach dürfte der Platz damals nicht mehr im Besitz der Familie Harringa
gewesen sein. Verpachtet war Harringhausen um 1733 an Johann Hinrichs, wie es aus der Brautausstattungsliste
seiner Tochter Rinzte ersichtlich ist. Das Schreiben ist noch im Besitz des Verfassers. Im Jahre 1752 wird
Harringhausen noch als adeliges Gut in einem alten Wittmunder Grundbuch geführt. Dieser Platz wie auch die Plätze
Westerhausen und Inkenburg waren damals im Besitz der acht Kinder des Capitäns Johann Enno Brants aus
Wittmund. Nach einer späteren Erbteilung wurde der Platz 1756 auf die Namen der beiden Töchter Magdalene und
Johanne umge~ schrieben, ist dann durch Heirat an die Familie Dettmers gekommen und 1816 an Landgerichtsrat
Casper Ernst Telting in Aurich verkauft worden. Er ließ das Haus abbrechen und die Ländereien stückweise
verkaufen. Somit verschwand auch dieser frühere Junkersitz, und der Standort ist kaum mehr erkenntlich, der Name
aber noch bei älteren Gemeindemitgliedern in Erinnerung geblieben.
Der Platz "Armenland" war früher im Besitz der Armengemeinde Wittmund. Laut Kaufvertrag vom 25. März 1791, der
sich noch in den Händen des jetzigen Besitzers befindet, wurde der Platz zur Größe von 36 Diemat an den Hausmann
Otto Burghards verkauft ..
Interessant ist das Quittungsbuch über die früheren Abgaben des Platzes. Es handelt sich hier um Kuhschatz,
Wachtgeld, Knechtgeld usw. Kuhschatz war anfangs eine Naturallieferung von fetten Kühen an den Burgherrn
(Wittmunder Schloß), es wurde später unter dem Fürsten Christian Eberhard im Jahre 1694 in eine Geldabgabe
umgewandelt. Man unterschied Marschund Geestkühe, indem für erstere mehr entrichtet werden mußte. Die
Burgwache mußte in früheren Jahren von den Untertanen gestellt werden, von den sog. Lands oder Kriegsknechten.
Um diese zu entlohnen, wurde Wacht oder auch Knechtgeld gehoben. Das Haus Wittmund hatte 1594 in einem
Vierteljahr an Wachtgeld 148 Reichsthaler und an Knechtgeld 109 Reichsthaler einzunehmen. Diese Gefälle wurden
1809 unter der holländischen Regierung abgeschafft, aber laut Bekanntmachung im Jahre 1823 wieder eingeführt und
mußten dann noch für fünf Jahre nachbezahlt werden.
Das Landgut Itzhausen bestand früher aus zwei Plätzen. Um 1820 gehörte es Professor Oltmanns, einem gebürtigen
Wittmunder. Er ließ das nördliche Haus abbrechen und das andere Gebäude vergrößern."
Streitigkeiten um Scheperhusen
"Zuletzt sei noch ein Platz erwähnt, der noch von besonderer Bedeutung in der Geschichte ist und um dessen Besitz
sich Jeverland und Ostfriesland Jahrhunderte hindurch gestritten haben: Das Landgut Scheperhusen.
Seiner Lage (jenseits der Sietwendung) und seiner Berechtigungen und Verpflichtungen zur Wiefelser Kirche nach
dürfte es in früherer Zeit zum Jeverland gehört haben. Aber auch an die Eggelinger Kirche hatte der Platz seine
Abgaben zu entrichten. So mußte an "Heiligen Geldern" sogar bedeutend mehr als von anderen Plätzen bezahlt
werden, und zwar 15 Rthl., der Prediger erhielt 2 Tonnen Hafer. In einer Streitsache zwischen den Gemeinden Wiefels
und Eggelingen entschied der Bremer Domprobst Johannes Rode zugunsten Eggelingens. Aus derselben Zeit (1477)
stammt auch eine Urkunde im Friedländer .Urkundenbuch. Es heißt dort in einem Contract zwischen dem Grafen
Enno I. von Ostfriesland und Edo Wiemken vom Jeverland, daß der damalige Besitzer Tjark Onnen seine Einkünfte,
Erbe und Güter in Junker Edos Herrlichkeit belegen, frei und ungehindert benutzen solle. In einem späteren
Abkommen heißt es: "Weil dem Pfarrer in Wiefels das Landgut entzogen, derselbe alle Jahre ein Fuder Torf vom
herrschaftlichen Moore haben solle". Nachdem man das Landgut etwa 70 Jahre der Gemeinde Eggelingen gegönnt
hatte, nahm Fräulein Maria von Jever es wieder in ihren Besitz, und zwar im Jahre 1540, als Wittmund von den
Jeveranern erobert war. Nach etwa siebenjährigen Verhandlungen gab sie es wieder an Ostfriesland zurück, wohl,
weil sie den Verlust des Wittmunder Ostermoores fürchtete. Das Wittmunder Ostermoor, eine Fläche niedrigen
Landes zur Größe von 13 Diemat, das nördlich der Stadt liegt, gehörte seit unbekannter Zeit bis vor etwa 150 Jahren
zur Jeverschen Rentei. Die Heuer, die dafür jährlich an die Jeversche Rentei gezahlt werden mußte, war in den
Verhandlungsjahren nur spärlich oder gar nicht eingekommen. In einem Vergleich im Jahre 1547 zwischen Fräulein
Maria von Jever und dem Grafen Johann von Rittberg, dem Herrscher des Harl ingerlandes , wurde. vereinbart, daß
Fräulein Maria SCheperhusen wieder zurückgab. Dafür wurde ihr versprochen, die Heuergelder des Ostermoores
pünktlich zu zahlen. Mit diesem Vergleich sind wohl die Streitigkeiten um Scheperhusen beendigt worden, aber um
die Besitzrechte des Ostermoores hat man noch ein paar Jahrhunderte gekämpft, wie es aus Akten des Auricher
Staatsarchivs zu sehen ist.
Scheperhusen sowie auch das Landgut Scheep gehörten bis 1587 dem Theodor Eiben von Seedyk. Er war der Sohn
des Remmer von Seedyk. Beide waren Rentmeister des Fräulein Maria von Jever. Nach Theodor Eiben von Seedyk
kam SCheperhusen in den Besitz seiner Tochter. Bei der Ubernahme des Platzes mußte sie 150 Rthl. Weinkauf und
einen goldenen Portugaleser als Geschenk an den Grafen von Ostfriesland bezahlen ... "
In seinen weiteren Ausführungen erwähnt Onnen im Zusammenhang mit Scheperhausen (Onnen schreibt
Scheperhusen) 1679 Dirk Hayen, 1749 Marie Abrahams und 1808 Abraham Behrends. Die zuletzt genannten Besitzer
seien die Vorfahren der Familie Drantmann gewesen. Von dieser übernahmen in den fünfziger Jahren dieses
Jahrhunderts die Geschwister Karl und Erna Dirks den Hof.
Seheperhausen ist als Eggelinger Exklave weitgehend von jeverländischem Gebiet umgeben. Das
Wirtschaftsgebäude war im Oktober 1944 von Brandbomben getroffen und zerstört, nach dem Kriege aber in
neuzeitlicher Bauweise wieder aufgebaut worden.
Karl und Erna Dirks, gestorben 1975 und 1984, waren die letzten Besitzer, die Scheperhausen als landwirtschaftlichen
Betrieb bewirtschafteten.
Der jetzige Besitzer Hartmut Heger läßt zur Zeit das unter Denkmalschutz stehende Wohnhaus renovieren.
In einer weiteren Beilage zum Anzeiger für Harlingerland befaßte Johann Onnen sich unter der überschrift
"Grenzpfähle an der Goldenen Linie" mit wasserwirtschaftlichen Streitobjekten zwischen Jeverland und Ostfriesland.
Er schrieb u.a.:
"Als Ibbelwarfer Pumpe wird ein Durchlaßrohr bezeichnet, das in der Sietwendung , der Grenze zwischen Jeverland
und Ostfriesland, in der Gemarkung von Eggelingen liegt, und zwar etwa 400 m südlich der Landstoraße Eggelingen
Wegshoerne. Dieses Durchlaßrohr dient dazu, das anfallende Wasser von rund 400 ha Ländereien der Gemeinde
Eggelingen in die Quanenser Leide zu leiten. Die Leide hat ihren Lauf durch das Jeverland zur Nordsee. Ihren Namen
erhielt die Pumpe nach dem Bauernplatz Ibbelwarfen, dessen Platzgebäude einst auf der Warf neben der Pumpe
stand. Balthasar Arend berichtet davon in seiner um 1680 abgefaßten Landesbeschreibung des Harlingerlandes: 'An
der Jeverschen Grenze lieget ein erhabener Platz, Hibbelwarfen genannt, von welchem man berichtet, daß auch auf
selbigem vorhin soll ein Steinhaus gestanden sein. I (Ausgabe von H. Reiners, Wittmund 1930, S. 196). Die
Ländereien dieses Platzes waren laut Deichbuch von 1698 im Besitz der Erben Christian Onkens aus Wittmund. Die
Ibbelwarfer Pumpe ist Jahrhunderte ein wasserwirtschaftliches Streitobjekt zwischen Jeverland und Ostfriesland
gewesen."
Meer drang bis Eggelingen vor
"Wie aus der Karte der Harlebucht zu erkennen ist, war das Meer bis in unmittelbare Nähe von Eggelingen
vorgedrungen, ja, schloß diesen Ort wie eine Insel ein. Zum Schutz gegen die überflutungen baute man Warfen,
wovon wir noch jetzt mehrere in der Gemeinde finden. Nimmt man an, daß in späteren Jahren diese vereinzelt
liegenden Warfen durch niedrige Wälle, ähnlich der jetzt noch stehenden, etwa 2 m hohen jeverländischen
Sietwendung, miteinander verbunden wurden, so könnte dadurch das dahinter liegende Land vor den normalen
Fluten geschützt sein. Solange die Harlebucht uneingedeicht war, konnte das Binnenwasser ungehindert nach
Norden ins Meer strömen. Als aber die Bucht verlandete und durch Deiche geschlossen wurde, galt es, das Wasser
durch künstliche öffnungen im Deich abzuleiten, die wiederum so beschaffen sein mußte~, daß das Hochwasser nicht
eindringen konnte. So schuf man Vorrichtungen im Prinzip der jetzigen Sieltore, die sich bei Ebbe automatisch
öffneten und bei Hochwasser mittels einer hängenden Klappe schlossen. Balthasar Arend berichtet in seiner
erwähnten Landesbeschreibung von solchen Sielen in der Gemeinde Eggelingen, die heute Pumpsiele genannt
werden. Er nennt den "Steenscharrersiel" und einen Siel "Zum Horn". Der Ortsname Schluis südlich von Eggelingen
deutet ebenfalls darauf hin, daß hier einst eine Schleuse, ein Siel, war. Nimmt man diese Siele als Anhaltspunkte, so
darf man wohl eine ältere Deichlinie vermuten, die von Schluis über Eggelingen und Toquard hier der
Steenscharrersiel nach Nenndorf verlief. Die Lage des Steenscharrer Siels ist bezeugt durch eine Brücke, die sich
einst beim Durchlaß in der Nähe des SiebeIschen Platzgebäudes befand; sie hieß die "Steenscharrer Brücke". Ihre
Unterhaltung, früher eine Aufgabe der Deich und Sielacht, ging 1880 gegen eine einmalige Entschädigung an die
Gemeinde Eggelingen über. Von einem Nenndorfer Siel spricht Grestius in seiner Reimchronik vom Harlingerland wie
folgt: "Idt sin to Nendorp by de Siele, gewesselt vele Loidt und Pyle", und zwar bei einem Treffen der Harlingerländer
und Jeverländer im Jahre 1457. Auch der Name "Sielke Leide", die in der Nähe von Nenndorf in das Wittmunder Tief
oder Harle fließt, wird davon herrühren. Durch viele kleine Siele in der Gemeinde Eggelingen war es seinerzeit wohl
möglich, das dort anfallende Wasser genügend abzuleiten. Die Eindeichungen des 16. und 17. Jahrhunderts setzten
sie jedoch bald außer Betrieb, das Binnenwasser nahm der Wasserscheide entsprechend seinen Lauf in östliche
Richtung und drängte durch die Ibbelwarfer Pumpe in das Jeverland. "
In seinen weiteren Ausführungen erwähnt Onnen, daß durch das Jeverland auch das Wasser abzog, das sich
zwischen Burmönken und Cleverns-Sandel ansammelte. Das Mühlentief nahm es auf und schickte es nördlich an
Jever vorbei in das Hooksieler Tief. Solange dieses Gebiet des Friedeburger Burgbezirks und das Jeverland in einer
Hand gewesen seien, habe es hier keine Schwierigkeiten zur Lösung des Wasserproblems gegeben. Sie seien erst
aufgetreten, als die Friedeburger Burgvogtei, das spätere Amt Friedeburg, endgültig an das ostfriesische
Herrscherhaus gelangte (1581). Seither fast 400 Jahre habe es ständig Zwietracht an der Grenze gegeben.
Onnen fährt fort, daß die Verhandlungen mit dem Jeverland wegen der Ibbelwarfer Pumpe nicht ganz so scharf
verliefen wie etwa 30 Jahre vorher bei der Mühlenwarfer Pumpe. Die Vorbereitungen für eine vertragliche Regelung
wurden 1742 eingeleitet, und 1749 kam es offenbar zu einem Vergleich über den Einbau eines Durchlasses nach
genau vorgegebenen Maßen. Die Arbeiten mußten von Eingesessenen der deich und sielpflichtigen Gemeinden als
"extraordinäre" Arbeit ausgeführt werden, sowohl von "Freyen" als auch von "Unfreyen". In damaliger Zeit waren die
adligen oder "freien" Ländereien sowie auch die Pfarrländereien vom Deichschoß und Sielschoß befreit. Die
Aufforderung zu solchen Arbeiten geschah von der Kanzel.
In dem Aufsatz von Johann Onnen heißt es dann weiter:
"Der Vergleich von 1749 brachte wohl für kurze Zeit eine Beruhigung beider Parteien, aber eine ausreichende
Entwässerung wurde dadurch nicht erreicht. Im nächsten Jahr beklagte man sich schon wieder darüber, daß das
Wasser bei Ibbelwarfen nicht ablaufen wollte, weil die Quanenser Leide und das Außentief bei Friederikensiel nicht in
Ordnung seien. So hat man wahrscheinlich jahrzehntelang eine ungenügende Entwässerung geduldet, bis man
endlich zur Selbsthilfe schritt, indem man das Eggelinger Tief schlötete und somit das Wasser nach Carolinensiel
ableiten konnte. Gleichwohl blieb die Ibbelwarfer Pumpe noch in Funktion, freilich mit großen Mängeln, wie die
Beschwerden der Landbesitzer zeigen.
Alle Bemühungen der Wittmunder Sielacht, die Pumpe zu erweitern und tiefer zu legen, blieben ohne Erfolg, selbst
bei Erneuerung der Pumpe in den Jahren 1884 und 1912. Bis 1912 bestand der Durchlaß aus Holz mit einer lichten
Weite von einem Quadratfuß nach Rheinländer Maß (31,4 cm). Sie wurde damals durch Tonrohre mit 35 cm
Durchmesser ersetzt. Auf Veranlassung der Wittmunder Sielacht fand am 12. Juli 1922 eine Besichtigung der Pumpe
statt mit anschließender Besprechung, an der die beiderseitigen Behörden und Sielachten teilnahmen. Erreicht wurde
nichts, auch nicht in späteren Verhandlungen. Erst nach dem 2. Weltkrieg boten sich bessere
Verhandlungsmöglichkeiten.
Von den Wasserwirtschaftsämtern Wilhelmshaven und Aurich wurde ein Entwässerungsplan für den oldenburgischen
und ostfriesischen Raum aufgestellt. Darin ist vorgesehen, das Wasser von der Wasserscheide ab, dem natürlichen
Gefälle folgend, abzuleiten, ohne Berücksichtigung der Sielachts und der Landesgrenze ... Die Wittmunder Sielacht
war somit gezwungen, für das Eggelinger Gebiet eine Zwischenlösung zu schaffen. Sie ließ die Eggelinger Leide
ausbauen und die Grenzleide reinigen. Viel wurde damit nicht erreicht, denn in den darauffolgenden regenreichen
Jahren standen wieder große Flächen Landes, darunter auch viel Getreideland, unter Wasser. Ein Bewohner des
Jeverlandes griff zur Selbsthilfe, indem er einen Graben oberhalb der Pumpe durch den Deich zog, um das Wasser
von seinen, auf ostfriesischer Seite liegenden Ländereien loszuwerden.
Nach vielen Bemühungen gelang es der Vertretung der Wittmunder Sielacht mit Unterstützung des Kreises und der
Landbauaußenstelle Wittmund in einer Versammlung am 19. Oktober 1959, mit der Wangerländischen Sielacht eine
Vereinbarung über die Ibbelwarfer Pumpe zu treffen. Als Zwischenlösung bis zur vollständigen Aufnahme des
Wassers wurde folgendes beschlossen: Die Sielscheide zwischen beiden Sielachten sollen die Wege von Schluis
nach Eggelingen und von Eggelingen über Greehörn nach Middoge bilden. Diese Wege sind auf Kosten der
Wittmunder Sielacht auf + 1,20 m NN zu bringen. Die Ibbelwarfer Pumpe soll durch ein verschließbares Verlaat ersetzt
werden mit gleicher Sohlenlage wie die Quanenser Leide. Das Verlaat soll geschlossen werden, wenn der Pegelstand
in der Leide über 0,15 m NN ansteigt und darf erst wieder geöffnet werden, wenn das Wasser unter 0,15 m NN abfällt.
öffnen und Schließen des Verlaats darf und kann auch nur stattfinden unter Beteiligung je eines Vertreters der beiden
Sielachten. Dem einen Vertreter ist der Schlüssel, dem anderen die zur Bedienung erforderliche Kurbel ausgehändigt.
Um die Entwässerung des Gebiets bei geschlossenem Verlaat einigermaßen aufrecht zu erhalten, soll in der
Eggelinger Leide an der Sielscheide (Weg Eggelingen Greehörn) eine Klappe eingebaut werden. Die Kosten des
Verlaaats und der damit verbundenen Nebenarbeiten trägt die Wittmunder Sielacht.
Am 21. Dezember 1959 erfolgte der erste Spatenstich zur Entfernung der Ibbelwarfer Pumpe. Am 23. Februar 1960
wurde das Verlaat in Betrieb genommen. Im Jahr darauf folgte die Ausbaggerung der als Vorfluter dienenden
Grenzleide auf Kosten beider Sielachten. Durch den Bau des Verlaats und durch die Baggerung der Leide ist eine
zufriedenstellende Zwischenlösung erreicht. Zwischen den beiden Sielachten ist nun ein seit Jahrhunderten
währender Streit beendet worden."
Soweit die Ausführungen von Johann Onnen über die Entwässerungsprobleme im Grenzgebiet Eggelingen/Jeverland
und über die Ibbelwarfer Pumpe.
Die alte Sietwendung
Hervorgerufen wurden die Entwässerungsprobleme offenbar durch die sogenannte "alte Sietwendung", einen alten
Deich, der sich längs der Grenze zwischen dem Jeverland und Ostfriesland von Middoge bis SandeI hinzieht. In ihrem
Mittelstück schließt sie sich ungefähr der alten Landesgrenze (jetzt Kreisgrenze) an, während der nördliche Teil bei
Middoge und der südliche Teil mehr oder weniger hinter die Grenze zurücktreten. In seinem Beitrag über die
Geschichte der Mühlenwarfspumpe (Beilage zum Anzeiger für Harlingerland von 29.03.1952) stellt Dr. Eberhard
Juergens, Isumser Busch, fest, daß über die Errichtung dieses Deiches nichts bekannt sei, doch gehöre er jedenfalls
zu den ältesten Deichen der alten Harlebucht überhaupt. Er sei ursprünglich ein Seedeich (Hauptdeich) gewesen,
indem er nämlich zusammen mit dem sich nördlich anschließenden Tettenser und Medernser Altendeich die älteste
Deichlinie gegen den Harlebusen gebildet habe. Nach Meinung von Dr. Juergens konnte die "alte Sietwendung" auf
1000 Jahre zurückblicken. Ihre ursprüngliche Bedeutung als Seedeich habe sie infolge der Verlandung und
Eindeichung des Harlebusens verloren, und zwar stückweise, je nach dem Vorrücken der Deichlinie, den nördlichsten
Teil, also das Stück vor Middoge, etwa um 1570 mit der Eindeichung der Berdumer Riege, den südlichsten Teil längs
des Upschloots von der Mühlenpumpe bis Sande 1 wohl schon mehrere Jahrhunderte vorher. Damit sei die "alte
Sietwendung" von einem Seedeich zu einem Wehrdeich des Jeverlandes gegen Ostfriesland geworden. Als solcher
habe sie zunächst noch die Aufgabe gehabt, bei Deichbrüchen im Harlingerland die Sturmflut vom Jeverland
fernzuhalten. Späterhin sei ihr nur noch die Aufgabe einer Wasserscheide für die Abwässerung geblieben, und zwar
einer künstlichen Wasserscheide, die das natürliche Gefälle zum Jeverland unterbrochen habe. Die Nachteile, die
diese den gegebenen Verhältnissen nicht entsprechende Wasserscheide für die westlich von ihr liegenden
Ländereien zur Folge gehabt hätten, müßten schon sehr bald dazu geführt haben, daß die Jeveraner den Ostfriesen
zwei Wasserdurchlässe gestatteten, nämlich die Ibbelwarfer Pumpe bei Eggelingen und die Mühlenwarfer oder
Mühlenpumpe zwischen Burmönken und Cleverns.
Das Vorhandensein der "Sietwendung" beweist aber auch, daß das Gebiet westlich von ihr, also auch das Eggelinger
Gebiet, vor der Eindeichung der Harlebucht dem Meer weitgehend schutzlos ausgeliefert war. Die Schilderung von
Eva Heyken, daß Eggelingen früher kein einheitlicher Ort war, sondern eine Reihe von großen und kleinen Inseln, und
daß die Bewohner auf Warfen wohnten, ist somit erklärlich.
Über die Entstehung der Harlebucht heißt es in einem Vortrag des Rektors H. Schütte vor dem Landesverein für
Heimatkunde und Heimatschutz in Oldenburg (Beilage im Anzeiger für Harlingerland vom 29.01.1931) u.a.: .
"Die heute gänzlich verlandete Harlebucht zwischen dem Geestrücken von Wittmund bis Esens und der alten Marsch
des Jeverlandes ist ein vorzügliches Beispiel für das Vergehen und Wiederentstehen von Land durch das Meer unter
Mitwirkung der Küstensenkung ...
Obwohl das Harlingerland heute dem nördlichen Jeverlande so ähnlich sieht wie ein Ei dem anderen, ist der
Bodenaufbau ganz verschieden. Das Jeverland hat tiefgründige alte Marsch, die nach der Jadeküste hin bis zu 16
Meter Mächtigkeit erreicht. Das Harlingerland hat nur junge Marsch, entweder direkt auf Geestboden oder auf
Flachmoor liegend. Wie der Unterschied zustande kam, das zeigten die Karten, in denen die Entwicklung unserer
Küste im Laufe der letzten 10000 Jahre dargestellt war. Vor 10000 Jahren lag das ganze Land 20 Meter höher als heute
und bestand bis über die jetzigen Inseln hinaus aus bewaldeter Geest. Vor 6000 Jahren war es schon um 14 Meter
gesunken, und von den Unterläufen der Flüsse her, die sich zu Meeresbalgen verbreitert hatten, war die niedere Geest
mit Marschboden überdeckt worden. Die Aufschlickung des Jeverlandes begann von Osten her, wo die Gewässer des
Ostfriesischen Geestrückens sich mit denen aus dem Jeverlande zur Urjade vereinigten. Sie konnten nicht direkt zur
Nordsee abfließen, weil hier noch ein Ausläufer jenes Geestrückens von Esens bis Minsen vorsprang.
Vor 3000 Jahren lag das Land wieder um fünfeinhalb Meter tiefer, und die nördliche Geestzunge war bereits unter den
Meeresspiegel getaucht. Aber längs der Nordseeküste lang nun hohes Marschland davor, das sich an den wenig
unter der Oberfläche liegenden westöstlichen Geestrücken stützte. Deshalb ging noch die ganze Entwässerung zur
Jade, und die Marsch breitete sich nur vom Osten her breiter aus. Zwischen dieser jeverländischen Marsch und der
ostfriesischen Geest aber hatte sich ein mächtiges Moor ausgebildet, das noch von den Sturmfluten verschont blieb,
weil diese von der Jade her einen weiten Weg hatten.
Vor etwa zweitausend Jahren war eine Hebung des Landes eingetreten, die die Marsch besiedlungsreif machte und
die Chauken und Friesen ins Land rief. Ihre Wohnstätten lagen anfangs zu ebener Erde und doch sturmflutfrei. In
dieser Zeit wurde das Moor der Harlegegend zum Hochmoor und wuchs noch höher auf die jeverländische Marsch.
Besiedelt werden konnten in dieser Moorwildnis nur einige Geestbuckel, die sie durchragten, z. B. Funnix, Eggelingen
und Werdum.
Vor tausend Jahren änderte sich das ganze Bild grundlegend. Bald nach Christi Geburt hatte schon eine neue
Senkung begonnen, die die Friesen zum Wurtenbau nötigte, und die Sturmfluten brachen immer verderblicher über
die Marsch herein, nachdem sie die Seegatten zwischen den Inseln aufgeweitet und die äußerste Marsch wieder in
Watt verwandelt hatten. Beiderseits von Spiekeroog waren große Balgen entstanden, und von ihnen aus richtete sich
der Meeresangriff direkt gegen den Marschstreifen, der bisher noch das Moor westlich vom Jeverland geschützt
hatte; er durchbrach ihn und begann nun, das Hochmoor zu zertrümmern und in großen Schollen zu entführen,
während das dichte, feste Flachmoor an seinem Grunde zum Teil erhalten blieb.
Bis etwa 1200 nach Christo wühlte so das Meer einen tiefen Trichter in das Land, dessen südlicher Zipfel zwischen
Jever und Wittmund durch bis Cleverns und SandeI reichte. Die Harle - so nannte man diese tief landeinwärts
vorstoßende Meeresbalge - durchbrach das Falster Tief, das Wittmunder Tief und die kleineren Geestabflüsse zur
Jade und leitete sie zur offenen Nordsee ab. Von ihr aus dringen Priele nach beiden Seiten tief ins Land, und nun
wurde die alte Marsch des Jeverlandes nicht nur vom Osten, sondern auch vom Westen her mit junger Marsch
überdeckt. So entstand im Mittelalter die Harlebucht. Da sie aber nicht von einem größeren Fluß durchströmt wurde,
blieb fast aller Schlick und Sand, den die Meeresfluten hier landeinwärts führten, in der Bucht zurück, und sie
verlandete ebenso rasch wie sie entstanden war.
Bis 1400 war der südliche enge Zipfen schon aufgefüllt, und von den hoch aufgeschlickten Rändern trieb man Deiche
gegen die Harle vor. Von 1500 an wagte man schon, die Harle selbst durch Querdeiche mit Sielen zu schließen, und
dann folgte ein Quergroden dem anderen in je 50 bis 100 Jahren Abstand, bis 1801 auf ostfriesischer Seite der
Friedrichsgroden und 1806 bis 1810 auf jeverländischer Seite der Neu-Augusten-Groden den Abschluß bildeten.
Längs der Deiche siedelten sich die Bauern an, deren Gehöfte in parallelen ostwestlichen "Riegen" fast in gleichen
Abständen liegen, während die Handwerker und Kleinhäuslinge meist in Dörfern an Stelle der alten Siele wohnen. Ein
eigentümlicher Unterschied besteht im Landschaftsgebilde des Westund Ostrandes der Harlebucht, wie einige
Lichtbilder zeigten. In den westlichen Groden sind bei der Eindeichung die alten Priel betten fast in ihrer Urform
erhalten geblieben. Eine breite Mulde bezeichnet das Sturmflutbett, die schmale, tiefe Rinne in ihrer Mitte das tägliche
Tidenbett. In den östlichen Groden, die durchweg viel höher aufgesandet sind, haben die Sturmfluten unter dem
Druck der Nordwestwinde die alten Betten ganz aufgefüllt, soweit nicht eine schmale, tiefe Rinne als Zuggraben oder
Tief künstlich offen gehalten wurde. Die ältesten Kirchen keine ist älter als 500 Jahre stehen auf den Wurten, die auf
den Geesthügeln von Werdum, Funnix und Eggelingen erst nach dem Harleeinbruch aufgefahren wurden. An ihrer
Sohle aber findet man noch Spuren der alten Geestsiedlungen.
Was das Meer in der Harlebucht zerstört hat: ein ödland, eine Moorwildnis. Was es an die Stelle setzte, ist eines der
fruchtbarsten Marschgebiete Deutschlands. Hier hat sich also die Nordsee als Freund der Friesen gezeigt."
Zum Schluß dieses Abschnitts noch eine Anmerkung zu den Begriffen "Südwendung", ·Siethwendung" ,
"Sietwendung". Gemeint ist immer dasselbe Objekt, nämlich der Deich im Grenzgebiet zwischen dem Harlinger und
dem Jeverland. Die Bezeichnung hat mit der Himmelsrichtung ·Süd" nichts zu tun. Die richtige Schreibweise ist
Sietwendung (Binnendeich).